Die Mutter

Die Mutter sitzt am Ufer des Sees und beobachtet ihre Kinder, die im Wasser spielen. Das Buch, das sie zur Unterhaltung mit an den Strand genommen hat, liegt unberührt in ihrem Schoß. Ihre Arme und Schultern werden zunehmend von den Sonnenstrahlen verbrannt, aber sie greift nicht nach der Sonnencreme, die im Korb neben ihrem Campingstuhl liegt. Sie kann ihren Blick nicht von dem Jungen und dem Mädchen abwenden, die unbeschwert im Wasser toben, lachen und kreischen. Wie klein und zerbrechlich sie sind. Obwohl das Wasser für einen Erwachsenen nur bis zum Knie reicht, sorgt sich die Mutter ständig um die Kinder. Sie kann ihren Blick nicht von ihnen abwenden, obwohl sie tief im Inneren weiß, dass ihnen nichts passieren kann. Aber der Zweifel ist immer da. Was ist, wenn sie nur für einen Moment nicht aufpasst? Was ist, wenn genau dieser Moment der ist, in dem etwas Schlimmes passiert? Etwas Schreckliches, das zur Tragödie führt. Trotz der schwülwarmen Mittagssonne läuft ihr ein Schauder über den Rücken. Sie spielen nur! Mach dir keine Sorgen! Die Mutter versucht sich selbst zu beruhigen. Du kannst nicht immer bei ihnen sein! Sieh, wie glücklich sie sind! Genieße ihre Fröhlichkeit! Die Mutter unterdrückt diese beruhigenden Gedanken in sich. Sie kann nicht ruhen, solange auch nur die geringste Gefahr eines zufälligen Unfalls besteht. Was für sie Spiel ist, ist für mich gefährliche Aktivität. Für sie ein fröhliches Abenteuer, für mich eine beängstigende Gefahr. Ich umgebe ihre Sorglosigkeit mit meiner Wachsamkeit. Das muss ich tun. Die Mutter entspannt sich, doch sie nimmt ihren Blick nicht von den planschenden Kindern. Sie lächelt, als sie das Spiel des Jungen und des Mädchens beobachtet.

„Mama! Mama, schau!“ ertönt das fröhliche Lachen des Jungen. „Ich habe einen Aal gefangen! Er schwamm direkt an meinen Füßen vorbei, und ich habe ihn erwischt!“

„Igitt, wie eklig schleimig!“ kreischt das Mädchen. „Nimm das weg!“

Die Mutter schüttelt den Kopf, als sie den langen, schlängelnden Fisch in den Händen des Jungen sieht. Am liebsten würde sie sich ekeln, aber sie ermutigt ihn stattdessen.

„Gut gemacht! Lauf schnell und zeig es deinem Vater!“

Der Junge rennt aus dem Wasser und eilt in Richtung der Bungalows. Das Mädchen steigt ebenfalls aus dem See und lässt sich auf ihrem Handtuch nieder, um das Wasser aus ihrem langen Haar zu wringen. Die Mutter greift nach der Sonnencreme, reibt ihre schmerzenden Arme ein, lehnt sich dann entspannt zurück und beginnt langsam zu lesen.

Eine Mücke summt über dem Kissen, während die Mutter die Stirn ihrer schlafenden Tochter küsst. Sie richtet die Decke ein wenig und streicht eine widerspenstige Haarsträhne aus dem süßen, runden Gesicht.

Der Junge ist auch schon halb eingeschlafen. Die Müdigkeit, die durch das ganze Spielen und Herumtollen des Tages verursacht wurde, hat auch ihn schließlich überwältigt.

„Hast du gesehen, was für einen schönen Fisch ich gefangen habe, Mama? Papa hat mich sogar gelobt!“ Seine Augen sind bereits geschlossen, die Worte sind kaum mehr als ein Murmeln, aber die Mutter versteht ihn trotzdem.

„Ich bin stolz auf dich, mein Sohn“, flüstert sie und lächelt. Der Junge hört es nicht mehr, so schnell ist er eingeschlafen.

Die Mutter bleibt für einen Moment in der Mitte des Kinderzimmers stehen und beobachtet ihre schlafenden Kinder. Der Anblick der friedlich ruhenden Geschwister erfüllt sie mit neuer Energie für den kommenden Tag. Sie weiß genau, dass ein Teil ihrer Seele hier in der Nacht bleibt, um ihre kostbarsten Schätze zu bewachen.

„Gute Nacht!“, sagt sie leise und schließt langsam die Tür des Kinderzimmers hinter sich.

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